Wie Erich Kästner zu Edmund Nick kam
Im Mai 1924, bald nach der Gründung der ersten deutschen Sendeanstalt in Berlin, erhielt auch Breslau seinen eigenen Sender, dessen musikalische Leitung man dem Komponisten Edmund Nick übertrug.
Als im Jahr darauf der Posten des Literarischen Leiters besetzt werden musste, holte Nick den Schriftsteller Friedrich Bischof an den Sender, einen Mann, der von Anfang an ahnte, was mit diesem neuen technischen Medium anzustellen wäre: Hörfolgen und Hörspiele sollte es geben, poetisch sollten sie sein aber nicht verblasen, modern sollten sie sein, rasant wie die Zeit, in der man lebte, Tempo sollten sie haben.
Freilich suchte man nicht nach irgendwelchen Textern – es waren die Dichter, die man zur Mitarbeit aufrief. Fehlanzeige. Auf dieses unbekannte Terrain wollte sich so schnell keiner begeben.
Da schrieb Friedrich Bischoff sich seine Hörspiele selber und ließ sich von seinem „Hauskomponisten“ Edund Nick, quasi vom Nebenzimmer aus, vertonen. Eines davon, das 1929 entstand, hieß „Song“ und schien einen jungen Dichter namens Erich Kästner zum Mitmachen anzuregen. Jedenfalls kreuzte er im Herbst desselben Jahres am Breslauer Sender auf und präsentierte dort ein Manuskript, das er „Lyrische Suite in drei Sätzen“ nannte. Nick und Bischoff lasen es begeistert, fanden aber den Titel zu zahm. So wurde es von Bischoff umgetauft in „Leben in dieser Zeit“.
Edmund Nick begann sofort mit dem Komponieren der Texte. Bereits am 10. Dezember 1929 erfolgte die Uraufführung über den Sender. Bald gab es sowohl konzertante wie auch szenische Aufführungen an fast allen größeren deutschen Bühnen – bis 1933 die neuen Machthaber weitere Aufführungen des Werkes verboten.
Für Erich Kästner und Edmund Nick aber begann mit dieser ersten Zusammenarbeit eine lebenslange Freundschaft. Mit ihren gemeinsamen Chansons waren sie noch 1934/1935 (unter Pseudonym) im Berliner Kabarett „Die Katakombe“ vertreten, bis auch die „Katakombe“ von den Nazis geschlossen wurde.
Nach Kriegsende erschienen sie dann beide wieder vereint in den Programmen des Münchner Kabaretts „Die Schaubude“. Am Ende hatte Edmund Nick mehr als sechzig Chansons von Erich Kästner vertont.
Dagmar Nick